Geistlicher Impuls
Paul mag die Adventszeit.
Doch jedes Jahr hat er das gleiche Problem: Er schmückt seine Wohnung, bummelt über Weihnachts- märkte, trinkt Glühwein, riecht den Tannenduft und hört Weihnachtssongs, doch das Weihnachtsgefühl will sich nicht so recht einstellen.
Irgendwie ergreift es ihn nicht richtig. Dabei hätte er es wirklich gern. Aber die Lage in der Welt und auf seinem Konto wirken auch nicht vorteilhaft. Paul weiß, dass es nicht nur ihm so geht, aber das macht es ja nicht besser. Angst und Sorge schwingen einfach immer mit.
In diesem Jahr will Paul die Sache anders angehen, hat er sich überlegt. Er will nicht einfach auf die Weihnachtsstimmung hoffen. Er möchte selbst etwas tun. Nur was?
Während Paul nachdenkt, gehen ihm Bilder fröhlicher, unbeschwerter Kindertage durch den Kopf. Wie viel Spaß hatte es ihm gemacht, mit der Mutter Plätzchen zu backen. Was, wenn er es wieder einmal probierte?
Als Paul den Teig knetet und mit dem Nudelholz ausrollt, merkt er, dass etwas mit ihm passiert. Sein Herz wird leicht und warm. Und durch seine Gedanken ziehen alte Gesprächsfetzen:
Damals hatte er in der Sofaecke gesessen und gegrummelt. Niemand war zum Spielen gekommen. „Blöder Tag!“, hatte er gesagt. Und die
Mutter hatte geantwortet: „Du darfst nicht warten, dass dir alles in den Schoß fällt, du musst selber etwas tun!“ Und dann hatte sie mit ihm gebacken. Und plötzlich war der Tag überhaupt nicht mehr „blöd“ gewesen. Er hatte gelacht und viele Dosen mit Plätzchen gefüllt.
„Etwas für andere tun, macht froh!“, hatte ihm die Mutter noch mit auf den Weg gegeben. Und da hatte Paul fast alle Plätzchen verschenkt.
„Keine schlechte Idee!“, fällt es Paul plötzlich ein. „Das könnte ich doch auch machen.“ Und als seine Plätzchen fertig waren, packt er eine Tüte zusammen und bringt sie der Nachbarin. „So eine Freude“, sagt diese.
„Meine Kräfte haben in diesem Jahr nicht gereicht zum Backen.“ Die Nachbarin schiebt sich ein Plätzchen in den Mund und dann zieht ein Strahlen über ihr Gesicht. Und in die- sem Moment wird es Paul ganz weihnachtlich zumute. Das war ein ganz anderes Gefühl als beispielsweise beim Glühweintrinken. Irgendwie erfüllender, fröhlicher, heller.
Paul überlegt: „Ist es tatsächlich so, dass der Anfang von Weihnachten in mir selbst liegt? Muss ich selbst den ersten Schritt tun, damit Weihnachten auch zu mir kommt?“
Ganz fertig war Paul mit seinen Ge- danken noch nicht. Aber bis Weihnachten dauerte es ja noch einige Tage.
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! (Jes 60,1)
Pfarrerin Susann Donner